Mehr als zwei Jahre Pandemie haben gezeigt: Unis und Hochschulen sind mehr als Behörden der Berufsqualifikation, an der Credit Points gegen Abschlusszeugnisse eingetauscht werden. Sie sind vor allem Orte, an denen Ideen und Konzepte miteinander entwickelt und Schlussfolgerungen gegeneinander abgewogen werden. An denen Studierende sich kennenlernen, sich schätzen lernen und sehen, wie miteinander auf Basis der Sache diskutiert wird. Es wird verglichen und nachjustiert, im persönlichen Dialog.
Wenn es in der Mensa nur nach Desinfektionsmittel statt nach Chili duftet, wenn der Cappuccino in der Cafeteria zu teuer wird und die Vorlesung vor leeren Rängen stattfindet, da es im Winter im Hörsaal zu kalt wird, ist klar: Universitäten und Hochschulen fehlt ein zentraler Bestandteil ihres Charakters. Das Campusleben.
Umso mehr schmerzt es, dass auch in Nordrhein-Westfalen das dritte Wintersemester in Folge unter unsicheren Rahmenbedingungen gestartet ist. Doch statt der Inzidenzwerte sind diesmal die hohen Kosten, die einen Normalbetrieb am Campus gefährden. Zu stark sind die Preisanstiege bei Energie, als dass ein reguläres Heizen aller Gebäude auch in diesem Winter möglich wäre. Zu teuer sind Lebensmittel, als dass Studierendenwerke ohne Preisanpassung auskommen können.
Die Konsequenz: Temperatur runter im Hörsaal, Preis rauf in der Mensa. Die Hochschulen in NRW haben sich vorgenommen, ihren Gasverbrauch um 20 % zu senken. Für die Ruhr-Uni bedeutet das, den Wärmebedarf von etwa 6000 Einfamilienhäusern einzusparen. Damit das gelingen kann, wird die Raumtemperatur in den Einrichtungen der RUB von 21 auf 19 Grad reduziert. Davon verspricht sich das Gebäudemanagement ein Einsparpotenzial von etwa 12%. Weil das nicht ausreicht, hat die Hochschulleitung nun einen drastischen Schritt angekündigt: Von Ende Dezember bis zum 6. Januar bleibt die RUB komplett geschlossen. Studierenden stehen dann auch die Bibliotheken nicht zur Verfügung, Beschäftigte sollen Urlaub nehmen oder wechseln ins Home-Office.
Andernorts sieht es ähnlich aus: An der Kölner Sporthochschule wird die Wassertemperatur im Schwimmbecken gesenkt, in Münster wird die Beleuchtung drastisch reduziert und an der Uni Bielefeld ziehen etwa 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um, damit ein kompletter Gebäudetrakt nicht mehr geheizt und beleuchtet werden muss.
Ob die Maßnahmen ausreichen werden, das angepeilte Ziel zu erreichen, wird sich zeigen. Sicher ist, dass die Unis und Hochschulen keinesfalls aus Energiemangel wieder in die rein digitale Lehre der Corona-Pandemie zurückkehren wollen: Die Zeit im „Study@home-Modus“ sei für viele Studierende mit verstärkten psychosozialen Belastungen verbunden gewesen und die Rückkehr zum vorwiegenden Präsenzstudium im vergangenen Sommersemester daher nicht eine nur begrüßenswerte, sondern vor allem eine notwendige Entwicklung, sagt etwa der Präsident der Landesrektorenkonferenz, Prof. Johannes Wessels.
Besorgt sind auch die zwölf Studierendenwerke in NRW. In landesweit knapp 1000 gastronomischen Betrieben an den Hochschulen kümmern sie sich um bezahlbare Verpflegung für Studierende und Beschäftigte. Und müssen dabei seit Ausbrauch des Ukraine-Kriegs enorme Kostensteigerungen verkraften. Die Preise für Rinderhack hätten sich knapp verdoppelt, Tomaten seien 85 % teurer geworden und auch Gewürze kosteten viel wie nie, berichtet beispielsweise das Bochumer AKAFÖ.
Vielen Studierendenwerken blieb nichts anderes übrig, als die Preissteigerungen mindestens teilweise an ihre Kunden weiterzugeben. Bereits zum 1. April in Essen-Duisburg, kurz darauf in Münster. Zwischen Juni und Juli folgten Aachen, Wuppertal und Düsseldorf, im August dann Bochum.
Nun steht der Winter bevor und die Preisspirale droht sich bei den Nebenkosten in den Studierendenwohnheimen zu wiederholen.
Kein Wunder also, dass der Präsident des Deutschen Studentenwerkes. Prof. Rolf Dieter Postlep, im Sommer Alarm schlug und von den Landesregierungen mehr Unterstützung für die Studierendenwerke forderte, um ein weiteren Kostenanstieg zu verhindern. Spätestens dann hätte man reagieren müssen, doch das NRW-Wissenschaftsministerium unter Ministerin Ina Brandes tat quasi nichts!
Dabei will die Landesregierung mit einem Nachtragshaushalt knapp 900 Millionen Euro zusätzlich ausgeben. Doch auf den gesamten Wissenschaftssektor entfallen grade einmal 0,6 % und die Studierendenwerke erhalten davon: Keinen Cent!
Als SPD-Landtagsfraktion wollen wir das so nicht hinnehmen, denn die Hochschulen sind eine Kernaufgabe der Landespolitik! Also haben wir mit einem Antrag unter dem Titel „Unterstützung jetzt! Studierendenwerke auskömmlich finanzieren und Studierende entlasten!“ die Landesregierung aufgefordert, sich endlich zu kümmern: Die Studierendenwerke sollen etwa 20 Millionen Euro sofort erhalten und automatisch steigende Zuschüsse ab 2023 bekommen.
Die schwarz-grüne Regierungsmehrheit findet das überflüssig. Und die CDU erklärte in der Plenardebatte im Landtag, man brauche eben keine „Schnellschüsse“. Nun, ob sich der Winter auch noch so lange Zeit lässt, wie die Koalition aus Grünen und CDU gerne hätte, darf bezweifelt werden. Klar ist aber: Wir bleiben am Ball! Nordrhein-Westfalens soziale Infrastruktur muss winterfest gemacht werden und die Hochschulen sind ein ohne Zweifel Bestandteil davon!